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TERRA NOVA PREIS
Verleihung der TERRA NOVA PREISE der Schweizerischen Schillerstiftung 2025
Ausgezeichnet werden die beiden Erstlingsromane:
«Verschiebung im Gestein» von Mariann Bühler
«Une singularité» de Bastien Hauser, Actes Sud
mit Würdigungen, Lesungen, Gesprächen en français und auf Deutsch

«Verschiebung im Gestein»
Mariann Bühlers Romandebüt erzählt nicht von spektakulären Abstürzen oder Ausbrüchen, sondern von den fast unmerklichen Verschiebungen, die sich im scheinbar vorbestimmten Laufe eines Lebens ereignen. In einem Dorf in den Schweizer Bergen kreuzen sich die Wege dreier Menschen, die einander kaum kennen: Elisabeth hat nach dem Tod ihres Mannes beschlossen, dessen Bäckerei weiterzuführen, und bringt sich selbst das Brotbacken bei. Alois übernimmt ungefragt den Bauernhof seiner Eltern, gestattet sich nun aber eine Auszeit und bricht auf zu einer langen Wanderung. Eine mit «Du» angesprochene junge Frau holt im Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, den Schlüssel zum Tessiner Haus, in dem sie als Kind mit den Grosseltern die Ferien verbrachte. Präzise und sinnlich beschreibt die Autorin die Lebenswelt ihrer Figuren. Wie gehen diese um mit ihren Nächsten, mit gesellschaftlichen Er-wartungen, mit Erfahrungen der Ausgrenzung und Gewalt, mit ihren Erinnerungen, Wünschen und Träumen? Ist abzusehen, was sie erwartet, oder öffnen sich neue Möglichkeiten? Viel bleibt nur angedeutet, Sätze brechen ab. So zieht Mariann Bühlers kunstvoll verflochtene und doch unprätentiös erzählte Geschichte Leserinnen und Leser in ihren Bann.

«Une singularité»
Am Tag, an dem ein Wissenschaftlerteam zum ersten Mal ein schwarzes Loch fotografiert, erleidet Abel Fleck einen Schlaganfall. Die Scans zeigen, dass er keine bleibenden Schäden von dem Unfall davongetragen hat, aber sie können ihn nicht beruhigen: Er verfällt langsam in den Wahnsinn, weil er davon überzeugt ist, dass sich das Schwarze Loch in seinem Gehirn befindet. Seine ganze Aufmerksamkeit, die von paranoiden Wahnvorstellungen und schwindelerregenden Abwesenheiten zersplittert wird, ist von nun an darauf gerichtet, seinen körperlichen und geistigen Zustand vor den medizinischen Behörden und seinem direkten Umfeld zu verbergen, sowie zwanghaft nach schwarzen Löchern und ihrer Funktionsweise zu forschen.
Eine Einzigartigkeit zeichnet das klare und erschütternde Porträt einer Generation, die auf der Suche nach Geschwindigkeit und Vergessen ist und ihre existenziellen Sorgen in Exzessen, Psychopharmaka, Dating und Rave-Partys ertränkt. Die Form des Romans, lebhaft und prägnant, nimmt die Struktur des schwarzen Lochs an, das der Protagonist in seinem Gehirn zum Leben erweckt fühlt: Rhythmische, glühende und energische Sätze interpunktieren die Ellipsen, die den Gedächtnisverlust des Protagonisten einschließen.

© Ayse Yavas
Mariann Bühler
Mariann Bühler wurde 1982 in der Nähe von Luzern geboren. Sie studierte Anglistik, Islamwissenschaften und Gender Studies und lebt heute als Autorin, Literaturvermittlerin und Veranstalterin in Basel.

Bastien Hauser
Bastien Hauser wurde 1996 in der Schweiz geboren. Er absolvierte den Master-studiengang «Textes et création littéraire» an der École nationale supérieure des arts visuels de La Cambre in Brüssel und ist Preisträger des «Laboratoire d'écriture dramatique» der Société suisse des auteurs. «Une singularité» ist sein erster Roman (Bastien Hauser, Une singularité, Arles, Actes Sud, 2024).
TERRA NOVA PREIS
Preisverleihung Schweizerische Schillerstiftung
11. Oktober 2025 um 14:00 Uhr
Kulturhaus Lenk