35. Sommer-Universität Lenk

35. Sommer-Universität Lenk

"Alpen im Wandel" ein Vortrag von Prof. Christian Körner, Universität Basel.

 

Blumenwiese

Vortrag "Alpen im Wandel"

Wandel ist in der Natur ein Normalzustand. Hält er allerdings länger an, geht er immer in eine Richtung und ist er weit-überregional feststellbar, dann lohnt es sich genauer hinzusehen, um Ursachen und Wirkung zu verstehen und zu bewerten. In diesem Vortrag wird der beobachtbare Wandel im Hochgebirge beleuchtet. Einleitend wird die Rolle der Gebirge für Natur und Mensch weltweit erklärt, um danach die Situation in den Alpen zu analysieren. Weltweit und regional ist auffällig, dass es im Hochgebirge, genauer in der baumlosen, alpinen Stufe, mehr Pflanzenarten gibt als es dem Landflächenanteil entspricht, obwohl dieser Lebensraum als lebensfeindlich gilt. Die Erklärung findet sich im Relief, in der "Rauhigkeit" der Landoberfläche, die nahezu unendlich viele Mikro-Lebensräume schafft. In diesen unterschiedlichen Lebensnischen herrscht ein Mikroklima, das sehr wenig mit dem zu tun hat, was eine Wetterstation misst. Das ist nicht nur der Schlüssel zum Verständnis der Biodiversität im Hochgebirge, es erklärt auch, warum etwa der Klimawandel im Hochgebirge nicht zu einem Artensterben führen kann und wird.

Bezüglich Klimawandel gibt es zurzeit drei grosse Tendenzen: Den Rückzug der Gletscher, der "neues" Land schafft, das Hochsteigen des Bergwaldes, das alpines Gelände verschluckt, und die Zunahme der Artenzahlen auf einst kahlen Berggipfeln. Dabei wird flächenmässig in Zukunft zehnmal mehr alpines Terrain unter Bergwald verschwinden als durch den Gletscherschwund neu entsteht. Der Gletscherschwund schafft aber nicht nur neues Land, sondern verändert massiv das jahreszeitliche Abflussgeschehen. Zuerst gibt es zusätzliches Schmelzwasser, zuletzt fehlt die ausgleichende Wirkung auf die Wasserführung der Flüsse.

Schwerwiegender als die vom Klima bewirkten Veränderungen in der Vegetation, sind die durch die Änderung der Landnutzung im Gebirge. Ein Merkmal der Alpen gegenüber anderen Gebirgen der Erde ist ja die Offenheit der Landschaft: ein Wechsel zwischen Bergwald im Schutzwaldbereich und an schlecht zugänglichen Flächen einerseits und weitläufigem Kulturland andererseits. Blumenreiche Bergwiesen, gepflegtes Weideland, traditionelle Zäune und Heuhütten. Aus diesem Berg-Kulturland zieht sich der Mensch aus sozio-ökonomischen Gründen zunehmend zurück. Dem folgen Verbuschung und Wiederbewaldung, wobei Letztere durch die Verbuschung mit aggressiven Grünerlen blockiert werden kann. Selbst im Rückzug des Menschen aus der Gebirgslandschaft liegt also Verantwortung. Die natürliche standörtliche Landbedeckung kommt nicht einfach von selbst zurück.

Auch bei Bergwanderungen in der Umgebung von Lenk, kann man die Veränderungen in der Kulturlandschaft beobachten. Je ferner vom Hof, je steiler das Gelände, umso eher sieht man "vergandetes" Land. Ein nachvollziehbarer Prozess, wenn man versteht, wie schwer die Arbeit in diesem Gelände ist, wie wenig der Mensch heute noch in seiner Existenz von diesem Land abhängt, und mit dem von den Städtern gewollten Wolf, hört für die Bergbauern der Spass auf.

Der Vortrag schliesst mit einem Plädoyer für die wertvollen Nahrungsmittel, die der Mensch aus dieser, für Ackerbau ungeeigneten Landschaft bezieht. Es wird im berechtigten Kampf gegen moderne Tierfabriken vergessen, dass Berggrünland den "biologischsten" aller denkbaren Beiträge an unsere Nahrung liefern kann. Der Mensch kann ja bekanntlich nicht grasen. Tiere verwerten die Bergwiesen und liefern höchstwertige Nahrungsmittel. Ein Grossteil der Berglandschaft in Europa ist nicht anders als über das Tier nutzbar. Dieses Kulturland aufzugeben, ist unverantwortlich, auch gegenüber der Nachwelt.   

Prof. Christian Körner

Christian Körner studierte in Innsbruck und wurde 1989 als Professor für Botanik nach Basel berufen. Er ist Experte auf dem Gebiet der experimentellen Pflanzenökologie mit den Schwerpunkten Waldbäume und alpine Pflanzen. Er ist nicht nur einer der vier Autoren des Standardlehrbuchs für Pflanzenwissenschaften an Hochschulen ’Strasburger’, sondern verfasste auch die führenden Fachbücher zur alpinen Baumgrenze und zum Pflanzenleben im Hochgebirgen. Mit Erika Hiltbrunner leitet er die alpine Forschungsstation ALPFOR auf dem Furkapass.

 

https://duw.unibas.ch/en/koerner

Webpage ALPFOR:  www.alpfor.ch

Vortrag

10. Juli 2023

Beginn um 18.30 Uhr

 

Kirchgemeindehaus Lenk 

Rawilstrasse, 3775 Lenk 

 

Tickets an der Abendkasse erhältlich.